Bericht der MarburgerLinken & Piraten zur  Stadtverordnetenversammlung Oktober und November 2025

Bericht der MarburgerLinken & Piraten zur  Stadtverordnetenversammlung Oktober und November 2025

Im folgenden dokumentieren wir den Bericht der Fraktion MarburgerLinke & Piraten im Stadtparlament der Universitätsstadt Marburg, der auch unsere  Genossin und Stadtverordnete Tanja Bauder-Wöhr angehört, zu den Stadtverordntenversammlungen im Oktober und November 2025:

Die Idee: „Vermiete an die Stadt“ – setzt sich nicht durch

ADie Stadtverordnetenversammlung rang und diskutierte im Oktober erfreulich viel, über das Thema erschwinglicher Wohnraum. Dabei konnten wir Erfolge verbuchen, mussten aber auch, sehr zu unserer Verwunderung, eine Abstimmungsniederlage bei unserem Antrag „Vermiete an die Stadt“ hinnehmen, durch den leerstehender Wohnraum wieder nutzbar gemacht werden soll. Konkret griffen wir eine Idee auf, die bereits vor mehr als zehn Jahren zur Debatte stand und welche die DGB-Senioren angestoßen haben. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen und Bedürfnisse sollte Teilleerstand von Wohnraum durch Vermietung oder „Wohnen gegen Hilfe“ wieder bewohnbar werden. Wir beantragten, dazu eine Konzeption zu erarbeiten, wie die Stadt Marburg leerstehenden Wohnraum erfassen und vermitteln kann, in dem sie selbst zur Sicherheit als Vermieter auftritt. Voraus ging zudem ein Stadtgespräch mit dem Wissenschaftler Dr. Daniel Fuhrhop, der zu dem erstaunlichen Fazit kommt: „mit »Wohnen für Hilfe«, dem Umbau von Wohnungen, dem Umzug sowie sozialer Wohnraumvermittlung, können insgesamt jährlich bundesweit 100.000 Wohnungen entstehen – ohne Klimabelastung und mit der Chance auf Nähe und Nachbarschaft.“ Für uns machte Tanja Bauder-Wöhr deutlich, warum es hier endlich Zeit zum Handeln wird: „Viele Menschen suchen Wohnraum, doch Neubau allein löst das Problem nicht: Er ist teuer, verbraucht Fläche und belastet das Klima. Eine zusätzliche Alternative ist, leerstehenden Wohnraum wieder bewohnbar zu machen, was in manchen Fällen sogar den wünschenswerten Nebeneffekt mit sich bringt, gegen die Vereinsamung im Alter mit vorzugehen. Wenn dabei noch die Stadt Marburg als Untermieter für die Eigentümer zur Sicherheit auftritt, können berechtigte oder unberechtigte Ängste genommen werden.“ Doch konnten wir für diese Idee keine Mehrheit gewinnen. Wir werden aber am Ball bleiben, schließlich kann sich heute niemand mehr erlauben, Wohnraum ungenutzt leer stehen zu lassen.

Das Stadtbüro-Areal im städtischen Eigentum behalten und gemeinschaftlich entwickeln!

Neben dem jüngsten Erfolg, Auszubildendenwohnheim in Cappel zu leistbaren Mieten – wir berichteten ausführlich – konnten wir uns beim wichtigen Thema Wohnen (hier konkret die Nachnutzung der Fläche des Stadtbüros) erneut erfolgreich durchsetzen. Und das, obwohl der Oberbürgermeister aktuell lieber sein „Tafelsilber“ verkaufen möchte, um den Haushalt zu retten, anstatt sich mit der Landes- und Bundesregierung über die auskömmliche Finanzierung der Kommunen zu streiten. „An dieser Stelle lässt sich jetzt der günstige Wohnraum generieren, dessen Fehlen allseits oft beklagt wird: Für Auszubildende, für Pflegepersonal, für Erzieherinnen, Busfahrer, gerade für Werkswohnungen ein idealer zentraler Standort“, sagt Tanja Bauder-Wöhr, „die städtische GeWoBau solle entsprechende Planungen beginnen.“ Die Regierungskoalition brachte noch die aus unserer Sicht vertretbare Änderung ein, das gesamte Umfeld im Auge zu behalten und auch einen Schulneubau miteinzubeziehen.

Die Novembersitzung stand dagegen wieder ganz im Zeichen der Sparwut

Geht es nach dem Willen der regierenden Koalition und vor allem des Kämmerers Dr. Thomas Spies, soll wirklich überall der Rotstift angesetzt bzw. Gebühren erhöht werden, dabei wird nicht einmal vor lächerlich anmutenden Einsparpotenzialen wie: „die Stadt MR sucht Paten fürs Befüllen von Hundekotbeuteln“,(dabei wird aber außer Acht gelassen, wer die Abfalleimer unter den Kotbeutelspendenboxen leert) Halt gemacht.

Die Teuerungen beim Bedarf für das tägliche Leben werden weiter brav an die normalen Mitbürger:innen überproportional weitergegeben. Die Stadt Marburg langt jetzt ebenfalls kräftig zu, ob bei den Müll- oder Wassergebühren, ob bei den Mehrbelastungen junger Familien durch die Erhöhung von Mittagessensgeld im Kita- und Schulbereich, ob bei der jährlich steigenden Gebührenerhöhung im Krippen- und Kitabereich, oder bei der Erhöhung der Eintrittsgelder für Marburgs Schwimmbad bei gleichzeitiger Leistungskürzung bei Warmwasser und Heizung. Und das ist leider erst der Anfang. Die fehlenden Gelder sich aber konsequent von Bund und Land zu holen, die immer mehr Pflichtaufgaben ohne ausreichende Gegenfinanzierung an die Kommunen abgeben, bleibt weiterhin Fehlanzeige. Roland Böhm kann bei der städtischen Vorlage zur Erhöhung des Essensgeldes nur verärgert den Kopf schütteln und verwundert feststellen: „Speziell was das Essensgeld angeht: Wenn der Magistrat die Elternbeiträge auf einen Schlag um 25 % erhöht, das bei allen Kitaplätzen und dann in der Vorlage schreibt, das hätte keine finanziellen Auswirkungen, dann stellt sich die Frage, warum macht er das dann? Dann ist es doch so unnötig wie ein Kropf.“ Für uns sind die Erhöhungen der Kitagebühren ebenfalls nicht hinnehmbar und schon gar nicht ausreichend begründet, auch dazu unser sozialpolitischer Sprecher Roland Böhm: „Dass diese Erhöhungen wie im Sachverhalt ausgeführt zu keinem weiteren Verwaltungsaufwand führen sollen, ist doch Wunschdenken, oder wie man bei Vorschulkindern sagt, magisches Denken. Die Erhöhungen werden zu mehr Anträgen führen und das geben sie ja indirekt auch zu, wenn bei den finanziellen Auswirkungen bereits eine halbe Stelle zum Gebühreneinzug gefordert wird“. Festzuhalten bleibt, mit dieser Politik setzen sie die versprochene Zukunft unserer Kinder auf Spiel, anstatt für gerechte Bildungs- und Teilhabechance aller Kinder zu sorgen. Aber es bleibt nicht nur bei den Gebührenerhöhungen, im Gegenzug legt der Magistrat auch ein neues Konzept für Personaleinsparung vor – ohne uns, versteht sich! Unsere Position verdeutlicht Roland Böhm im Folgenden:

„Kinderbetreuung am Minimum kann das von Frau Bernshausen beschriebene gute Ergebnis von Kitabetreuung nicht leisten! Schon jetzt existiert der „Marburger Standard“ nur auf dem Papier, weil viele Stellen unbesetzt sind, die Gruppen oft mit Notbesetzung oder verkürzten Öffnungszeiten betrieben werden, manchmal auch tage- oder wochenweise schließen. Mit weniger Personal werden die Schließungen weiter zunehmen, mit all den Konsequenzen für die betroffenen Eltern, also Probleme mit der Arbeit usw. Gleichzeitig wird das Betreuungspersonal damit bis aufs Äußerste gefordert, Burnout und Jobaufgabe/-wechsel sind die Konsequenzen. Diese Abwärtsspirale wollen wir nicht. Kinder sind die Zukunft, eine gute Betreuung ist zwingend.
Ähnliches gilt für den Bereich der Sozialleistungen: Weniger Sachbearbeiter:innen bedeuten längere Bescheiddauer mit finanziellen Problemen bei den Betroffenen mehr Druck/Stress für die Mitarbeiter:innen. Was ist, wenn das Wohngeld erst Monate später ausgezahlt wird?

Es ist müßig, den entgangenen Gewerbesteuereinnahmen hinterherzujammern – mit denen man das alles locker hätte finanzieren können – aber jetzt die Chuzpe zu haben, sich diese Steuergeschenke an die großen Konzerne von den Bürger:innen finanzieren zu lassen und das als alternativlos hinzustellen bzw. als staatspolitische Verantwortung zu verkaufen – Chapeau! Aber wir könnten uns mit einer entsprechenden Gewerbesteuererhöhung wenigstens einen Teil der Übergewinne zurückholen, aber dazu sind Sie auch nicht bereit.

Konkrete Verbesserungsvorschläge

Wie wäre es denn, wenn wir mal nicht bei den Indianern, sondern bei den Häuptlingen sparen würden? Wenn wir die von den Gemeinwesenträgern öffentlich beklagten Doppelstrukturen beenden? Wenn wir die auf speziellen Wunsch der CDU installierte Stadtpolizei wieder abschaffen und dafür das Ordnungsamt personell stärken, um die Verkehrsüberwachung zu intensivieren? Das könnte helfen, denn die Einnahmen aus Verwarnungen und Bußgeldern sind stark rückläufig.

Oder darüber nachdenken, städtische Liegenschaften – gewisserweise das „Tafelsilber“ – nicht zu verkaufen, sondern in preisgünstigen Wohnraum (Werkswohnungen) für städtische Bedienstet umzuwandeln. Neben Mieteinnahmen ein Mittel, die dringend benötigten Fachkräfte in vielen Bereichen anzulocken.“

Zaghafte Erhöhung bei Gewerbesteuer

Tatsächlich gab es auch sinnvolle Änderungsanträge der Fraktionen zu den ganzen Erhöhungsdiktaten, wir stimmten zu bei der Tourismusabgabe, bei der Erhöhung der Grundsteuer C forderten wir, statt nur zu prüfen, die Umsetzung; gleiches gilt für die Verpackungsabgabe! Nochmal spannend wurde es bei der Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes, die regierenden Fraktionen wollen jetzt immerhin auf 420 Punkte, die Linke auf Bundesdurchschnitt 437 Punkte und wir wollen auf 460 Punkte, weil Städte wie Frankfurt, Mainz oder unsere Nachbarstadt Gießen längst schon dort sind und wir außerdem der Meinung sind, dass mit der Unterbietungspolitik des Steuersatzes endlich Schluss sein muss. Ganz grundsätzlich betonte Tanja Bauder-Wöhr unsere Haltung zum Nachtragshaushalt:

„Alle Kommunen brauchen verlässliche finanzielle Zuweisungen von Bund und Land, vor allem um die immer mehr werdenden Pflichtaufgaben bewältigen zu können. Getreu dem Motto, wer bestellt, hat auch die Rechnung zu bezahlen!

Deshalb unsere klare Forderung, um unser Marburg – mit Herz – zu erhalten, müssen die pauschalen beschlossenen 2,5% Kürzungen über alle Budgets gestoppt und rückgängig gemacht werden! Wir haben heute schon über einige anstehende Einsparungen u.a. beim Personal gesprochen, oder bei den Bädern, sowie den Gebührenerhöhungen für Familien insbesondere bei den Kitas und Krippen. Dabei enthielt der vergangene Haushalt schon jede Menge Gebührenerhöhungen, oder klarer: keine Gebührenerhöhung wurde ausgelassen, ob Abwasser, Wasser, Müll oder Hundesteuer, alles wird teurer, dazu kommen die Teuerungen für allgemeine Kosten des täglichen Lebens wie Heizen, Strom, Lebensmittel, kulturelle- und Freizeitaktivitäten. Dahingegen steigen Lohn und erst recht die Rente nicht annähernd im selben notwendigen Maße. In diesen unsicheren, beängstigenden Zeiten so zu agieren, ist keineswegs fahrlässiges, sondern vorsätzliches Handeln! Da helfen auch Beteuerungen, wie schwer es falle, nichts. In einer solchen Situation, muss man klar benennen, warum die Ungleichheit wächst und wie erschreckend wenige davon profitieren, während immer mehr Menschen verarmen. Und die am 20.November veröffentlichte Analyse der Entwicklungsorganisation Oxfam verdeutlicht es, „das Vermögen der Superreichen in den G20-Ländern ist im vergangenen Jahr um 2,2 Billionen US-Dollar gestiegen. Heißt konkret, das Vermögen der Milliardär:innen in den größten Industrie- und Schwellenländern ist in nur einem Jahr um 16,5 Prozent auf 15,6 Billionen US-Dollar angewachsen. Der Vermögenszuwachs reiche mehr als aus, um 3,8 Milliarden Menschen aus der Armut zu befreien,“ teilte Oxfam mit. Wann endlich wird hier eine Besteuerung fällig? Ich halte es hier ohnehin mit Bert Brecht, „Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?“ (aus der Dreigroschenoper).

Zurück zu Marburg und den begonnenen Kürzungen in allen Bereichen, welche nur der Auftakt sind. Dies macht unsere liebenswerte Stadtgesellschaft kaputt, es zerstört über viele Jahre gewachsenes Vertrauen in die Gemeinwesenarbeit, in die Vereine, in Politik ganz allgemein, Menschen fühlen sich zunehmend allein gelassen, ausgegrenzt. Die psychischen Erkrankungen unserer Kinder und Jugendlichen sind ebenfalls erschreckend hoch, die Zustände unserer Straßen, Kanäle und Gebäude sind nun leider auch in keinem guten Zustand, ganz im Gegenteil. Was bleibt von den Versprechen der Bildungsgerechtigkeit, wenn den städtischen Schulen 20% weniger Haushaltsmittel zugeteilt werden? Für welche Schüler:innen das nochmal drastischer ausfällt, ist doch auch klar. Es tut mir leid, wenn wir feststellen müssen, eine solche pauschale Kürzungspolitik, vorgeschlagen durch die CDU/FDP/BfM-Fraktion über alle Budgets hinweg, ausgerechnet mit Beteiligung von SPD und Klimaliste in Verantwortung umzusetzen, ist „Pfui Teufel“ und mit uns nicht zu machen. Deshalb unser klares Nein zum Nachtragshaushalt und allen Kürzungen, die vor allem im sozialen unverzeihliche Folgen nach sich ziehen werden!

Tanja Bauder-Wöhr, Anja Kerstin Meier-Lercher