Bericht der MarburgerLinken & Piraten zur Stadtverordnetenversammlung vom 17. Mai 2024
Im folgenden dokumentieren wir den Bericht der Fraktion MarburgerLinke & Piraten im Stadtparlament der Universitätsstadt Marburg, der auch unsere Genossin und Stadtverordnete Tanja Bauder-Wöhr angehört, zur letzten Stadtverordnetenversammlung vom 17. Mai 2024:
„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“
Der Slogan: „kein Werben fürs Sterben“, der vor allem durch Schülervertretungen in nahezu allen Regionen gegen das Rekrutieren junger Menschen für die Bundeswehr ins Leben gerufen wurde, zeigt die unbedingte Notwendigkeit, sich für Frieden einzusetzen, denn in Armeen wird man zum Töten an der Front ausgebildet. Die Fraktion MarburgerLinke & PIRATEN steht in der Tradition der Friedensbewegung und spricht sich klar gegen Militarismus aus. Deshalb lehnen wir auch ein „Dankeschön von der Front“ in Form einer nationalen Flagge ab. Stattdessen haben wir in einem dringlichen Antrag gefordert: „Recht auf politisches Asyl bei Kriegsdienstverweigerern beibehalten. Marburger Friedenspreis einführen.“
Unsere stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anja Kerstin Meier-Lercher führte dazu folgerichtig aus: „Anlässlich des Internationalen Tags der Kriegsdienstverweigerung am 15. Mai und des jüngsten Berichts im Marburger Express „Ein Dankeschön von der Front“, sollte alles dafür getan werden, alle Menschen die vor Krieg fliehen, in Marburg willkommen zu heißen, auch Menschen, die den Kriegsdienst verweigern. Bekanntlich ist es so: Wo es Kriege gibt, widersetzen sich auch Menschen dem Krieg, gegen das unendliche Leid, das Töten.“ Und sie erinnerte an den vor wenigen Tagen entsetzlichen Tabubruch, dass in Niedersachen gewaltsam Kirchenasyl gebrochen und eine vierköpfige Familie nach Russland abgeschoben wurde. Gegen die Dringlichkeit sprach sich der Grünen Fraktionschef Christian Schmidt aus, der aber erkennen ließ, das gute und wichtige Ansinnen aufgreifen zu wollen und ausführlich in den kommenden Ausschussberatungen zu erörtern – wir werden uns nach Kräften einsetzen und für den Erfolg kämpfen, denn es gilt:
„In Frieden zu leben, ist der Wunsch der Menschen. Und es ist die Pflicht der Politik, daran zu arbeiten. Diplomatie für den Frieden – für den Frieden zu arbeiten – ist der vorgegebene Weg.“ Ein weiterer dringlicher Antrag beschäftigte sich mit dem Ziel der Beibehaltung der geltenden Öffnungszeiten des Marburger Schwimmbads, eingebracht durch die Fraktion Die Linke, dessen Ansinnen wir uns selbstverständlich anschließen. So jedoch nicht die zuständige Stadträtin Kirsten Dinnebier – die sich von der eigenen Mitverantwortung ablenkend – regelrecht empört über diese Forderung zeigte, man würde die Belastung der Mitarbeiter:innen, den Personalmangel und das Bemühen schlicht negieren. Glücklicherweise kam ihr aber das Wetter zu Hilfe: die offenbar unsachgemäße Sanierung des Hallenbaddachs erzwingt die Schließung des Hallenbads, und damit steht wieder Personal für die regulären Öffnungszeiten des Freibads zur Verfügung.
Fokus auf bezahlbarem Wohnraum, Werkswohnungen und Bürgerbeteiligung
Tanja Bauder-Wöhr eröffnete die Debatte um bezahlbaren Wohnraum im Quartier Südbahnhof, sie lobte zunächst die Initiative, die sich seit etwa 1½ Jahren vorbildlich mit vielen Ideen und eigenen Workshops einbringt. Unsere Fraktionsvorsitzende erinnerte an den ursprünglichen Masterplan Temmlerareal, der bereits 2016 erstellt wurde, der das gesamte Gebiet erfasste und ein neues Wohnquartier zum Ziel hatte. Sie fragte: „Wie kann es sein, dass viele der infrage kommenden Flächen durch Privatinvestoren erworben wurden und die Stadt selbst nicht mal versuchte, die Flächen ebenfalls in ihren Besitz zu bringen, oder gar durch rechtsverbindliche Quartierspläne den Rahmen vorgibt?!“. Weiter führte sie aus, dass auf der freiwerdenden Fläche – bisher durch das THW genutzt – es sich anböte, sozialen und bezahlbaren Wohnraum in der Mitte und nicht wieder am Rand eines Gebietes entstehen zulassen. Es zeichnet sich aber ab, dass der Magistrat hier Tauschverhandlungen führt – unter der Vorgabe, die lukrative Mitte an Investoren und den Rand für die Armen zu vergeben. Dies dürfe auf keinen Fall passieren! Und wer die Verkehrswende in Marburg will, hat hier die Chance, Werkswohnungen für Busfahrer in unmittelbarer Nähe zu den Stadtwerken entstehen zu lassen – die Stadt sollte endlich ihre Versprechen umsetzen, anstatt immer nur zu vertrösten und im alten Trott ihr Heil bei den Privatinvestoren zu suchen!
Seit acht Jahren Stillstand zum notwendigen Neubau der Kita Goldberg
Zur Erinnerung die Kindertagesstätte (Kita) Goldberg wartet seit Jahren wegen Schimmelbefalls und weiterer Mängel auf Sanierung, die gesamte Kita ist seither provisorisch ins alte Rathaus in Cappel eingezogen. Ende April sind in jenem Gebäude zu hohe Werte von polychlorierten Biphenylen (PCB) festgestellt worden, deshalb wurden diese Räumlichkeiten gesperrt.
Unser ausgewiesener Sozialexperte Roland Böhm eröffnete die Debatte und verglich die jahrelangen „Nicht-Geschehnisse“ in der Causa Kita Neubau mit: „Und täglich grüßt das Murmeltier”, denn in der Tat gab es nur Ankündigungen und nicht eingehaltene Versprechen: „Nachdem nun unter Frau Dinnebiers Verantwortung fünf Jahre erfolgreich nichts passierte, gab es 2023 den Zuständigkeitswechsel zu Frau Bernshausen. Sollte sich nun etwas ändern und vorangehen? Nein, das Spiel geht unverändert weiter: Jährlich Ankündigung am Murmeltiertag, ansonsten nix, bis … ja bis jetzt auf einmal das Provisorium Altes Rathaus der Goldberg-Kita platzt und die Öffentlichkeit mal genauer hinschaut. Da muss der zuständige Baustadtrat im Sozialausschuss einräumen, dass er nicht weiß, warum hier seit 2016 nix passiert.“
Die in der Diskussion aufkommenden Versuche von Seiten der SPD, uns unseriöse Forderungen zu unterstellen, wurden von Tanja Bauder-Wöhr auf schärfste zurückgewiesen. Die Fraktion MarburgerLinke & PIRATEN fordert schlicht, längst überfällige Versprechen schnellstmöglich einzulösen, dies wird im Übrigen auch vom Ortsbeirat Cappel unterstützt. Die CDU schloß sich unserem gesamten Antrag an, die regierende Koalition stimmte nur zu – nach Lösungen zu suchen, die konkrete Handlungsaufforderung allerdings untersagte sie. Nun gilt es, bis zu den Sommerferien zufriedenstellende Lösungen zu finden, im Interesse der Kinder, des Personals und der Eltern. Denn die Haushaltsmittel für die Sanierung des Goldbergkindergartens waren bereits in den Haushalt 2016 eingestellt und im Haushaltsentwurf 2017 aufgrund „politischer Spielchen“ um die neue Bildung der damaligen Stadtregierung wieder gestrichen worden – die Leidtragenden dabei waren und sind ganz offensichtlich die Jüngsten unserer Gesellschaft. Denn wäre hier nach Plan verfahren worden, stünde der Neubau der Kita Goldberg vermutlich und die jungen Heranwachsenden würden jetzt mit ihren Erzieher:innen und pädagogischen Fachkräften den Neubau mit Leben füllen. Nebenbei bemerkt, wäre das Projekt damals sicher deutlich billiger gewesen als jetzt. Stattdessen stehen die Kinder, ihre Eltern sowie das Betreuungspersonal vor der schwierigen Aufgabe, sich jetzt nach Notfallquartieren umzusehen. Unseres Erachtens nach muss sofort mit dem Abriss des Bestandsgebäudes der Kita Goldberg begonnen werden, um noch möglichst in diesem Jahr mit dem Neubau zu beginnen. Zwischenzeitlich müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um in Cappel einen zuverlässigen Betrieb für die Goldbergkindertagesstätte zu gewährleisten. Dabei müssen ein ansprechendes Außengelände mit Spielgeräten und ausreichender Beschattung sowie Aufenthaltsqualität und selbstverständlich angemessene Innenräumlichkeiten zur Verfügung stehen.
Unser neues Fraktionsmitglied Dr. Michael Weber (PIRATEN) sorgte mit den Berichtsanträgen einmal zur „Videoüberwachung Oberstadt“ und zum anderen zur Umsetzung der „Daseinsfürsorge im Bereich eGovernments & Digitalisierung in der Stadtverwaltung“ dafür, dass der Oberbürgermeister ausführlich berichtete. Die mitgeteilten Informationen werten wir derzeit noch im Detail aus, leider wurde vom OB entgegen des Antragstextes allerdings weder das IT-Security- noch das Datenschutz-Audit der Videokamerasysteme geliefert. Es zeigt sich zudem, dass der ursprünglich von den Marburger PIRATEN entwickelte OpenSource-Softwarefinanzierungsansatz über den Städtetag dermaßen bedeutend ist, dass dieses Projekt vom Bund aufgegriffen wurde.
Unser Antrag auf Teilhabe fraktionsloser Stadtverordneter mit beratender Stimme an den Ausschussverhandlungen lehnte die Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich ab, obwohl wir mit Quellenangaben nachgewiesen hatten, dass dieses Vorgehen im Gegensatz zu den Behauptungen anderer Fraktionen HGO-konform ist und in allen dahingehend untersuchten hessischen Städten auch praktiziert wird (Frankfurt, Kassel, Gießen). Von gleichberechtigter Teilhabe kann hier keine Rede sein, Politikverdrossenheit wird geschürt und Engagement für Kommunalpolitik wird unter solchen Arbeitsbedingungen nicht länger zu erwarten sein.
Auf Inge Sturms Initiative hin und mit Unterstützung unseres langjährigen Mitgliedes im Denkmalbeirat brachten wir die unter Denkmalschutzstellung der „Alten Weinstraße“ ein. Während dieses Ansinnen im Denkmalbeirat eine Mehrheit fand, konnten wir uns in der STVV hier nicht mehrheitsfähig durchsetzen.
Tanja Bauder-Wöhr, Roland Böhm, Anja Kerstin Meier-Lercher, Inge Sturm, Dr. Michael Weber
Unsere Stadtverordnete Tanja Bauder-Wöhr spricht bei der 8. Mai-Feier in Marburg anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus.