Rückblick auf die Lenin-Veranstaltungen der DKP Marburg mit Dr. Gert Meyer und Reinhard Lauterbach
Am 21.Januar 2024 war der 100.Todestag von Wladimir I. Lenin. Die DKP Marburg veranstaltete dazu zwei Vorträge.
Am 23. Februar sprach Gert Meyer (Marburg)über das Thema: „Lenin – was bleibt?“ (hier kann der Vortrag nachgehört werden). Sein Ergebnis: Gültig bleiben die Grundzüge des strategischen Denkens und Handelns von Lenin:
- Vertikale und horizontale Zentralisation aller widerständigen Potentiale in der Gesellschaft – demokratischer Zentralismus;
- Wahrnehmung des Übergangs eines Gesellschaftszustands in einen anderen – Dialektik;
- Sinn für neue Möglichkeiten und Umsetzung der Chancen, die sich daraus ergeben: Revolution.
Aus ihr entstand in Russland ein sozialistischer Staat, der inzwischen untergegangen ist. Wie ist, von diesem Ende her betrachtet, das Erbe Lenins zu beurteilen? Hierüber sprach am 25. April Reinhard Lauterbach (Poznan) unter der Überschrift: „Realpolitiker der Revolution – was Lenin geleistet hat und was nicht“.
Sein Befund: Lenin war beim Verfolgen seiner Ziele von großer Flexibilität. Um nach dem Ausbruch der Februarrevolution 1917 schnell aus dem Exil nach Russland zu kommen, war er sogar zur Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden bereit, die ihm die Möglichkeit verschafften, in einem plombierten Eisenbahnwagen nach Petrograd zu kommen. Die Räte (Sowjets) nutzte er, um die Herrschaft der Bolschewiki zu errichten.
Nach der Oktoberrevolution gewann die Sowjetmacht mit ihrem Dekret über den Frieden die kriegsmüden Soldaten für sich. Die Enteignung des Großgrundbesitzes und die Aufsiedelung des Landes schuf eine neue Klasse von kleinen und mittleren Privateigentümern an Grund und Boden, die deshalb die Revolution begrüßten. Mit der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP) wurde kontrollierter Kapitalismus unter der politischen Herrschaft der kommunistischen Partei zugelassen. Das stabilisierte deren Herrschaft.
In der darauf folgenden Diskussion wurde auf der Veranstaltung zusätzlich Folgendes diskutiert:
Für Marx, Engels, Rosa Luxemburg, Lenin war die Voraussetzung für eine dauerhafte Behauptung Sowjetrusslands eine gleichzeitige sozialistische Revolution in den am weitesten industriell fortgeschrittenen Ländern Westeuropas und den USA. Diese blieb aus, da das Proletariat sich mehrheitlich für den Kampf um eine Besserung seiner Lage innerhalb des Kapitalismus entschied.
Heute, 2024, ist die Periode des Arbeitersozialismus – sei er revolutionär-kommunistisch oder reformistisch-sozialdemokratisch – beendet. Seine Voraussetzung war ein Produktivkrafttypus, der in der Ersten Industriellen Revolution (um 1800) entstand und in der Zweiten Industriellen Revolution (um 1900) sich weiterentwickelte. Er beruhte auf der Energiegewinnung aus fossilen Rohstoffen und der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft. Gegenwärtig bahnt sich ein neuer Produktivkrafttypus an. Dieser ist gekennzeichnet durch die Notwendigkeit der Schonung und Reproduktion natürlicher Ressourcen sowie der Ersetzung manueller und intellektueller Arbeit durch automatisierte Maschinen und Künstliche Intelligenz.
Die beiden Hauptklassen des 19. Und 20. Jahrhunderts waren die Industriearbeiterschaft und die Kapitalisten. Jetzt ist die Massenschicht der Intelligenz hinzugekommen, die es in solcher Form und solchem Umfang vorher nicht gab. So lange die Entwicklung der Produktivkräfte innerhalb des Kapitalismus noch möglich ist, hat er seine historische Grenze nicht erreicht.