Starker Ausdruck von Solidarität mit den kämpfenden Frauen in Polen – Zur Kundgebung am 7. November 2020 in Marburg

Starker Ausdruck von Solidarität mit den kämpfenden Frauen in Polen – Zur Kundgebung am 7. November 2020 in Marburg

Am Samstag, den 7. November 2020, fand die von der SDAJ organisierte und von der DKP unterstützte Kundgebung “Solidarität mit den streikenden Frauen in Polen” statt. Wir danken allen Teilnehmer*innen und Unterstützer*innen. Vielen Dank für die Fotos an Eren Gültekin. Vielen Dank für die tollen Reden.

Wir dokumentieren an dieser Stelle die Rede der SDAJ Marburg:

Seit mehr als zwei Wochen demonstrieren in Polen Hunderttausende Menschen gegen das Urteil des Verfassungsgerichts, das einem faktischen Totalverbot von Schwangerschaftsabbrüchen entspricht. Selbst wenn der Fötus schwer und unheilbar erkrankt ist, soll nun eine Abtreibung illegal sein. Schon 2016 wollte die rechtsnationale Regierungspartei PiS diese Gesetzesverschärfung verabschieden – Die sogenannten „Schwarzen Proteste“ konnten das noch verhindern. Ob es diesmal auch verhindert werden kann, ist noch unklar.

Klar ist, dass eine große Mehrheit der polnischen Gesellschaft gegen das Abtreibungsverbot ist – Und 60 Prozent der Bevölkerung sind sogar für eine Lockerung der Gesetze. Doch ob die feministische Protestbewegung diesmal Erfolg haben wird, ist noch nicht abzusehen. Wir als SDAJ erklären uns solidarisch mit den Kämpfen der Polinnen und Polen für ein wirkliches Selbstbestimmungsrecht und gegen den reaktionären Staatsumbau, der gerade durch die Kirche und die Regierung vollzogen wird.

Zurzeit werden in Polen circa 120.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr durchgeführt – die allermeisten davon illegal. Wer es sich leisten kann, fährt dafür ins Ausland. Doch die Gesetzeslage sah in Polen nicht immer so aus: 1956 wurden Abtreibungen in der sozialistischen Volksrepublik Polen weitestgehend legalisiert. Lebte die schwangere Person unter „schweren Lebensbedingungen“, durfte sie die Schwangerschaft abbrechen. Die Definition für „schwere Lebensbedingungen“ wurde mit den Jahren immer mehr gelockert, sodass in den 60er und 70er Jahren Abtreibungen quasi immer legal waren. Zu dieser Zeit war es auch üblich, dass Schwangere aus Ländern mit strikteren Gesetzen, zum Beispiel Schweden, nach Polen reisten, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen.

Doch mit dem Ende des Sozialismus in Polen war es auch vorbei mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau. Direkt am 30. April 1990 wurde eine Verordnung rausgebracht, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erschwerte. 1993 fiel das Gesetz noch weiter zurück und schwere Lebensbedingungen waren nun nicht mehr ausreichend, um eine Schwangerschaft abbrechen zu dürfen. Dieses restriktive Gesetz ist das gleiche, was heute auch gilt und was die Klerikalen und Rechten in der Regierung noch weiter verschärfen wollen!

Bevor wir nun aber fordern, dass die EU in Polen eingreifen soll oder bevor wir um Sanktionen gegen Polenbitten, sollten wir einen Blick auf die Gesetzeslage zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland werfen. Denn in der BRD sind Abtreibungen immer noch verboten, lediglich straffrei. Die Paragraphen 218 und 219 bestehen seit dem Kaiserreich!

Schon in den 1920er Jahren brachten USPD und KPD Anträge in den Reichstag ein, diese Paragraphen aufzuheben. Doch die Paragraphen blieben bestehen. Unter dem Faschismus wurde das Abtreibungsgesetz noch weiter verschärft und Aborte härter bestraft. Der Kampf für das Selbstbestimmungsrecht ging aber weiter.

In der DDR wurde 1950 ein Gesetz erlassen, das einen Schwangerschaftsabbruch aus medizinischen, ab 1965 auch aus sozialen Gründen, erlaubte. 1972 kam es zur kompletten Legalisierung durch eine Fristenregelung. Ziel dieses Gesetzes war vor allem, die Gleichberechtigung der Frau und ihr Selbstbestimmungsrecht voranzutreiben. In der BRD war und ist dieser feministischer Kampf schwieriger. Die Paragraphen 218 und 219 bestehen heute immer noch, obwohl die feministische und sozialistische Bewegung seit einem Jahrhundert dafür kämpft, sie abzuschaffen. Und auch hier schreitet der reaktionäre Staatsumbau und der damit zusammenhängende Antifeminismus immer mehr voran.

Wir sehen uns also als Verbündete mit den Protestierenden in Polen, die sich gegen die reaktionären Maßnahmen erheben und für ihre Rechte kämpfen. Denn der Kampf der fortschrittlichen Kräfte in Polen und Deutschland ist der gleiche: Gegen faschistische Umtriebe, gegen reaktionären Staatsumbau, gegen den Kapitalismus und für Gleichberechtigung der Geschlechter und ein wirkliches Selbstbestimmungsrecht!