Über den Kommunisten und Christen Erwin Eckert – Artikel aus dem aktuellen Marburger Echo von Dr. Friedrich-Martin Balzer

Über den Kommunisten und Christen Erwin Eckert – Artikel aus dem aktuellen Marburger Echo von Dr. Friedrich-Martin Balzer

 

An folgender Stelle dokumentieren wir einen Artikel aus dem aktuellen Marburger Echo mit dem Titel “Pfarrer Eckert spricht”, den der Lehrer, Sachbuchautor und Herausgeber sowie Abendroth-Schüler Dr. Friedrich-Martin Balzer für unsere Parteizeitung verfasst hat. In diesem Beitrag beschreibt Dr. Friedrich-Martin Balzer den politischen Lebensweg des am 20. Dezember 1972 verstorbenen Kommunisten und evangelischen Pfarrers Erwin Eckert, welcher ein  lebendiges Beispiel für die Tatsache war, dass sich Religiosität und der Kampf für den Sozialismus nicht ausschließen müssen; dass man sogar Kommunist und Christ zugleich sein kann. In einer Vielzahl von Beiträgen und Büchen widmet sich Dr. Friedrich-Martin Balzer dem Leben und Wirken Eckerts, u. a. in:

  • “Klassengegensätze in der Kirche. Erwin Eckert und der Bund der Religiösen Sozialisten Deutschlands”
  • “Ärgernis und Zeichen. Erwin Eckert – Sozialistischer Revolutionär aus christlichem Glauben”

Über die Internetseite des Autors sind die Bücher über Eckert und viele weitere linke Intellektuelle des 20. Jahrhunderts (z. B. Wolfgang Abendroth, Heinz Düx, Kurt Goldstein, Hans Heinz Holz, Wolfgang Ruge und Emil Fuchs) zu beziehen. Außerdem befindet sich dort ein beeindruckendes digitales Archiv von historischen Reden Erwin Eckerts.

Pfarrer Eckert spricht (von Dr. Friedrich-Martin Balzer)

Unter diesem Titel erschien Anfang Dezember 1931 in der Nr. 3 des Marburger Echos der Auszug einer Rede, die der badische Pfarrer vor 10.000 Menschen am 10. Oktober 1931 gehalten hatte. Nach seinem Eintritt in die KPD folgte die fristlose Entlassung aus dem Kirchendienst. Die Nazis steckten ihn 1933 ins Gefängnis, 1936 wurde er erneut verhaftet. Nach 4 Jahren Zuchthaus überlebte er die Nazizeit und gab nicht auf. Nach der Befreiung vom deutschen Faschismus kämpfte er gegen die aufkommende Restauration und Spaltung, für Frieden und Demokratie.

Als Christ, Antifaschist und Kommunist war der badische Vorsitzende der KP und Landtagsabgeordnete Eckert überzeugt, „dass es für unser Volk nur den einen Ausweg aus seiner gegenwärtigen furchtbaren Not gibt, der über eine wahre Demokratie zum Sozialismus führt.“[1]

Eckert war zutiefst davon überzeugt, dass der „Nazistaat ein Verbrecherstaat war, nicht ein Staat, der auch Verbrechen begeht“(Karl Jaspers). Konsequenz dieser Erkenntnis war sein uneingeschränkter Wille zum Abbruch der Kontinuität zu dem Verbrecherstaat, sein Wille zur Neugründung von Grund auf. Eckert stand damit in vollem Einklang mit dem im Potsdamer Abkommen von allen vier Mächten der Antihitlerkoalition gewollten demokratischen und friedlichen Neubeginn, der Behandlung Deutschlands als ein einheitliches Ganzes und der von den Antifaschisten im Buchenwalder Manifest im gleichen Jahr angestrebten „Einheit der sozialistischen Bewegung“.

Die Verabschiedung des Grundgesetzes – ein Dokument der Spaltung

In der Debatte um die Verabschiedung des Grundgesetzes im Badischen Landtag kritisierte Eckert die Bereitschaft der führenden politischen Führer der Westzonen, „eine in der Strategie der westlichen Alliierten vorgesehene separate westdeutsche Staatsbildung vorzunehmen.“ und zwar nicht nur, weil die ent­scheidenden Verhandlungen über das Grundgesetz so gut wie hinter verschlossenen Türen bei interfraktionellen Besprechungen der Parteimatadore in Bonn stattfanden.

Eine gemeinsame Beschlussfassung auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens kam nicht zustande. „das wollte […] die bürgerlich-sozialde­mo­­kra­­tische Mehrheit nicht. Sie wollte […] keine ernsthafte Entnazifizierung, keine durch­greifende Demokratisierung des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens, keine Abrechnung mit den für den Krieg und die Katastrophe unseres Volkes verantwortlichen Schichten der kapitalistischen Machthaber und Groß­grundbesitzer. Sie wollte […] gar keine Überführung der Schlüsselindustrien in das Eigentum und die Verfügungsgewalt des Volkes. Sie wollte keine durchgreifende Bodenreform. […] Sie wollte die Wiederherstellung des bürgerlich-kapita­listischen Staates, die Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft der Besitzbürger“.

Der Bonner Parlamentarische Rat, so Eckert, lehnt eine Fühlungnahme mit den Organen der SBZ zur Schaffung einer gemeinsamen Verfassung ab, „weil in den Richtlinien einer solchen Verfassung, wie wir sie wollen und wie sie bevorsteht, das Recht auf Arbeit, das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter in den Betrieben, eine planvolle Gestaltung der deutschen Wirtschaft, die Enteignung der Kriegsverbrecher und der Großgrundbesitzer und die Überführung der Großbetriebe in Gemeinwirtschaft gefordert wird und deshalb, weil in den Richtlinien Deutschland als eine unteilbare demokratische Republik, die sich aus deutschen Ländern zusammensetzt, enthalten ist?“

Für Frieden

In einer Rede, die Eckert am 22. Mai 1948  hielt, sprach er die Hoffnung aus, dass die ungeheuren Verwüstungen und Opfer dieser sechs Jahre von 1939 bis 1945 die ganze Menschheit so aufgerüttelt habe und ihr „den Wahnsinn des Krieges, die Sinnlosigkeit des Völkermordens so tief in das Bewusstsein eingeprägt habe, dass der Gedanke an einen neuen Krieg völlig unmöglich ist“. Eckert forderte eine Politik der friedlichen Koexistenz, wie sie später durch die Sowjetunion angesichts des atomaren Patts zeitweilig durchgesetzt werden konnte.

Eckert befürchtete, „dass Amerika den Vorsprung seiner Rüstung und den Vorteil, dass der 2. Weltkrieg es nicht geschwächt, sondern es gestärkt hat“, dazu ausnutzen werde, „um die ganze Welt unter seine Herrschaft zu bringen und die sozialistische Sowjetunion auszuschalten?“

Auch die Badische Regierung schweige sich über ihre Einstellung zu den politischen und militärischen Plänen der Westunion und des Atlantikpaktes aus.

Die NATO war nach Eckert „das Kernstück einer systematischen Einkreisung der sozialistischen Sowjetunion und der Staaten, die den Frieden wollen, ein Kriegspakt des Weltkapitalismus gegen die um ihr Recht kämpfenden Arbeitermassen aller Länder, gegen die unterdrückten Kolonialvölker, gegen den Sozialismus“.

Für die Unterzeichner des Paktes genügte es bereits, einen Krieg zu beginnen, „wenn revolutionäre Umwandlungen innerpolitischer Art in einem der Unterzeichnerstaaten oder in den von den westlichen Alliierten besetzten Gebieten, einschließlich der West­sektoren Berlins, die Unterstützung eines Auslandsstaates – gemeint ist die UdSSR – fänden.“ Deutlicher kann, so Eckert, „der aggressive Charakter dieses Paktes nicht gekennzeichnet werden.“

Fazit:

Alle Analysen belegen, dass die Kommunistische Partei nach 1945 die einzige Partei gewesen ist, die sich konsequent für die Umsetzung der Potsdamer Beschlüsse und für die Einheit Deutschlands einsetzte.

Vor dem Verbot der KPD hatte der Kampf um die nationale Einheit und für den Frieden stets die absolute Priorität. Gegenüber der von Kurt Schumacher ausgegebenen illusionären Parole „Sozialismus als Tagesaufgabe“ erwies sich die von Otto Grotewohl unterstütze Losung von der „Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes“ dagegen als durchaus realistisch.

Für die KPD war die Gründung der Bundesrepublik die zentrale Niederlage. Der Vorsitzende der KPD Max Reimann sprach am Ende der Beratung über das Grundgesetz angesichts der späteren Uminterpretation des Grundgesetzes in ein Instrument zur Wiedererrichtung einer imperialistischen Großmacht „Sie, meine Damen und Herren, haben diesem Grundgesetz, mit dem die Spaltung Deutschlands festgelegt ist, zugestimmt. Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben.“

Kommunisten einschließlich Erwin Eckert haben bei allen Fehlern unter großen Opfern einen heroischen Kampf für Frieden, Demokratie und sozialen Fortschritt gekämpft.

Wie hieß es am Ende der im Marburger Echo 1931 veröffentlichten Rede: „Sie müssen nicht denken, dass der Weg, den ich gegangen bin, einfach war und einfach sein wird. Aber ich freue mich auf diesen Weg, freue mich, weil ich die Überzeugung habe, dass mein Leben nicht besser eingesetzt werden kann, als bei den Kommunisten, als da, wo es sich darum handelt, den Massen zu helfen, die leiden, […] als da, wo es sich darum handelt, […] die Unterdrückten durch Kampf zum Sieg zu führen. Mein Leben kann keinen besseren Inhalt haben als den, entschlossen mitten im Proletariat zu kämpfen um Freiheit und Sozialismus, um ein menschenwürdiges Dasein, um Frieden und Gemeinschaft auf dieser Erde“.

 

[1]  Zur ausführlichen Fassung dieses Textes mit Quellenangaben und einer Kurzbiographie Eckerts siehe: Friedrich-Martin Balzer, 1948/49. Jahre der Entscheidung. Wie Erwin Eckert um Deutschlands Zukunft kämpfte, Bergkamen 2018, 62 Seiten. www.friedrich-martin-balzer.de