VVN-BdA Marburg stellt hessische Widerstandskämpfer gegen den Faschismus vor!

VVN-BdA Marburg stellt hessische Widerstandskämpfer gegen den Faschismus vor!

Wir dokumentieren an dieser Stelle einen Ausschnitt aus der von der Marburg Ortsgruppe der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) sehr empfehlenswerten Galerie über hessische Widerstandskämpfer, die gegen den Faschismus kämpften:

Peter & Ettie Gingold

Peter Gingold (1916 – 2006) wurde am 8. März 1916 in Aschaffenburg geboren, siedelte die Familie schon bald nach Frankfurt. Peter besuchte in Frankfurt die Schule, erlernte seinen Beruf und kam hier aber auch in Kontakt zur Arbeiterjugendbewegung, wurde Mitglied in der Gewerkschaftsjugend und im kommunistischen Jugendverband.

Als der Faschismus an die Macht gebracht wurde, entschied sich die Familie zur Emigration nach Frankreich, für jüdische Menschen und politische Gegner wurde das Leben im Deutschen Reich zunehmend risikoreich.

Und im Paris vollzog er zwei grundlegende Entscheidungen für sein Leben, zu denen er bis zu seinem Tode stand – eine politische und eine private: Die politische Entscheidung war sein Beitritt 1937 zur kommunistischen Partei, zur KPD. Obwohl der Faschismus in Deutschland zu dem Zeitpunkt recht fest im Sattel saß, war es Peters feste Überzeugung, dass diese Herrschaft nicht von Dauer sein würde und die kommunistische Idee auch in Deutschland siegen werde. Diese Partei blieb – trotz mancher Debatten, die er in den folgenden Jahrzehnten auch in den eigenen Reihen hatte, und vielerlei Anfeindungen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde – seine politische Heimat bis zu seinem Tode. Die persönliche Entscheidung war seine Verbindung mit Ettie Stein-Haller, seiner großen Liebe, einer Rumänin, die er in Frankreich in der politischen Jugendbewegung gefunden hat und mit der er seit 1940 zusammen lebte, kämpfte und glücklich war. Diese Liebe trug auch ihn bis zum Schluss, eine Liebe, aus der die beiden Töchter, Alice und Silvia, hervorgegangen sind.

Auch die Arbeit von Peter in den Reihen der französischen Resistance brachten oft längere Abwesenheiten. Zumeist gelang es ihm, dem faschistischen Terror zu entkommen, jedoch wurden bei einer Razzia gegen jüdische Bürger zwei Geschwister von Peter verhaftet und nach Auschwitz deportiert, wo sich ihre Spur verliert. Auch Peter wurde durch einen Spitzel verraten und geriet 1943 in die Fänge der Gestapo. Viele von euch kennen den spannenden Bericht seiner Flucht am 23. April 1943 durch die Tür am Boulevard St. Martin Nr. 11, ein Datum, was Peter später als seinen zweiten Geburtstag bezeichnete.

Wieder in Freiheit beteiligte er sich gemeinsam mit seinen Genossen und Kameraden am Aufstand 1944 von Paris und ging anschließend zur Unterstützung der italienischen Resistenza, wo er mit italienischen Partisanen in Turin den Tag der Befreiung am 8. Mai 1945 erlebte. Er bezeichnete diesen Tag als “Das Morgenrot der Menschheit”.

1945 kehrte Peter nach Frankfurt/M. zurück. Als Kommunist erlebte er 1956 nach dem KPD-Verbot eine erneute Illegalisierung und Verfolgung durch den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit. Damit besaß er z.B. keine legale Möglichkeit, sich mit seiner Familie und seinen Mitstreitern aus der Résistance in Frankreich zu treffen. Alle Versuche in den folgenden Jahren, sich ordnungsgemäß einbürgern zu lassen, scheiterten am damaligen Bundesinnenminister Genscher. Erst Anfang der 70er Jahre, als auch die Presse diesen Fall kritisch aufnahm, wurde die Familie eingebürgert. Doch damit war die Verfolgungssituation nicht beendet. Nun wurde die zweite Tochter Silvia, die Lehrerin werden wollte, von der hessischen Landesregierung mit Berufsverbot belegte. Peter Gingold ging daraufhin in die Offensive:

Peter Gingold wurde ein gefragter Zeitzeuge, der aus seinem Erleben politische Konsequenzen für einen anderen Umgang mit Geschichte und Erinnerung sowie mit der Losung „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ einforderte. In den 1980er Jahren kämpfte er gemeinsam mit Gewerkschaftern und jungen Antifaschisten gegen die „Aktionäre des Todes“ der „IG Farben AG in Auflösung“. Mehrfach trat er selbst auf den Aktionärsversammlungen auf und klagte die Aktionäre an, Profite mit dem Blut der Opfer von Auschwitz zu machen.

Ettie Gingold (1913 – 2001) lernte ihren Mann Peter 1936 in der Emigration in Frankreich kennen, wo sie im Januar 1940 heirateten. Ettie Gingold engagierte sich in der Widerstandsbewegung gegen Faschismus und Krieg. Als in der Bundesrepublik Deutschland mit der Remilitarisierung, Rüstung und darauf folgend mit der Stationierung von Atomwaffen und Raketen begonnen wurde, gehörte Ettie Gingold zu den aktivsten Gegnerinnen jeder Rüstungs- und Kriegspolitik. Sie sammelte als einzelne Person die meisten (12.000) Unterschriften unter den Krefelder Abrüstungsappell. Zusammen mit Heinrich Böll, Willy Brandt und Petra Kelly gehörte sie zu den Hauptredner / innen auf der legendären Großkundgebung der Friedensbewegung 1983 im Bonner Hofgarten.

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Walter Fisch

Walter wurde am 16. Februar 1910 in Heidelberg geboren. Nach dem Abitur verließ er das Elternhaus und ging als Schlepper unter Tage auf eine Zeche in Dortmund. Die Erfahrungen dort, insbesondere mit seinen Arbeitskollegen, den „Kumpels“, führten ihn in die kommunistische Bewegung. Er trat in den KJVD, den kommunistischen Jugendverband, ein.

Später wechselte er nach Frankfurt, wo er ebenfalls als kommunistischer Funktionär aktiv war. 1933 wurde Walter Fisch verhaftet, konnte aber nach seiner Entlassung im selben Jahr in die Schweiz flüchten.

1935 musste er die Schweiz wegen seiner Tätigkeit für die KPD verlassen. Seine nächste Station war Prag, wo er bis zu seiner Verhaftung 1939 für die Rote Hilfe arbeitete. Nach vier Monaten Untersuchungshaft kehrte er illegal in die Schweiz zurück, wurde aber auch dort wieder wegen seiner politischen Überzeugungen zwischen 1941 und 1945 in verschiedenen Lagern und Gefängnissen interniert und inhaftiert.
Nach Kriegsende kehrte er nach Frankfurt zurück und war in herausragender Stellung (u.a. in der Verfassungsberatenden Hessischen Landesversammlung, im Hessischen Landtag und im ersten Deutschen Bundestag) für die KPD tätig, deren stellvertretender Bundesvorsitzender er zeitweilig war.

Im Verbotsverfahren der damaligen Bundesregierung gegen die KPD 1951-1956 war er einer der Prozessbevollmächtigten der KPD vor dem Bundesverfassungsgericht. Auch nach dem Verbot der KPD 1956 blieb er seiner Partei treu. Dafür wurde er Anfang 1958 wegen „Hochverrats“ zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, die er teilweise auf dem berüchtigten Hohenasperg bei Ludwigsburg absitzen musste.

Walter Fisch ist am 21. Dezember 1966 in Frankfurt am Main gestorben.

Mehr unter: https://hessen.vvn-bda.de/walter-fisch/

 

Otto Ebel

Otto Ebel (1910 bis 1994) wurde am 16. November 1910 in Heubach/Miltenberg in Main-Franken geboren. 1928 trat er aus der Katholischen Kirche aus und wurde im gleichen Jahr Mitglied der KPD. Über sein Schicksal während des Hitlerfaschismus hat er einen Bericht geschrieben (36 Jahre später), aus dem wir im Folgenden zitieren: “Wir versuchten in illegaler Arbeit die Organisation aufrecht zu erhalten und die Menschen durch Druckschriften aufzuklären. Nach dem Reichstagsbrand 1933 verbreiteten wir Aufklärungsschriften mit der mutigen Rede des bulgarischen Angeklagten Dimitroff vor dem Reichsgericht gegen das System und die Lügen, dass Kommunisten den Reichstag angesteckt hätten. Dabei ist meine Schwester Luzia verhaftet (…) worden (…)”

Später wurde auch Otto Ebel verhaftet: “Ich wurde mit der Bahn auf Schub mit noch zwei anderen Gefangenen ins KZ gebracht (…) bei diesem Stand des Kriegsgeschehens konnte ich nicht weit nach Osten hin transportiert werden. Es ging also nach Berlin ins KZ Sachsenhausen.”

Wie für viele war es eine Odyssee, bis er endlich wieder in Frankfurt war.. Er blieb Mitglied der KPD, ab 1968 bis zu seinem Tod Mitglied der DKP. Seit Gründung der VVN war er auch dort Mitglied. 1991 wurde ihm die Johanna-Kirchner-Medaille der Stadt Frankfurt verliehen.

Mehr unter: https://hessen.vvn-bda.de/otto-ebel/

 

 Ria Deeg

Ria Deeg wurde am 2. Oktober 1907 in Dudenhofen geboren. Sie trat 1923 in die Sozialistische Arbei­ter­jugend, 1925 in die SPD und in die Gewerk­schaft ein. 1932 verließ sie die SPD und wurde Mitglied der KPD. Im selben Jahr begann sie ihre Arbeit bei der KPD-Regional­zei­tung Gießener Echo.

Nach der Machtübertragung an die Nazis ver­teilte sie Flug­blätter und Zeitungen, sammelte Geld und Lebensmittel für die Rote Hilfe zur Unterstützung der Familien Verhafteter. Nachdem die illegale Be­zirks­leitung der KPD ver­haftet worden war, arbeitete sie weiterhin illegal, meist unter aben­t­eu­er­lichen und ge­fährlichen Umständen. So versteckte sie z.B. die Schreibmaschine, mit der sie ihre Flug­blät­ter schrieb, in der Schublade eines SA-Mannes, der bei ihrer Mut­ter zur Untermiete wohnte. Im November 1934 wurde sie verhaftet und im Juli 1935 we­gen Vor­bereitung zum Hoch­verrat zu 38 Monaten Haft verurteilt. Nach ihren Haft­stra­fen in Gießen, Darmstadt, Mainz und Aichach/Oberbayern stand sie unter Polizeiaufsicht, muss­te sich drei­mal wöchentlich melden und ihren Hausschlüssel abgeben, stand unter Hausarrest und dur­f­te die Stadt nicht verlassen.

Sie war Mitbegründerin der VVN in Hes­sen 1947. Zeitlebens beteiligte sie sich ak­tiv an anti­faschistischem Aktio­nen gegen alte und neue Nazis und berichtete als Zeitzeugin vor Schulklassen und Organi­sa­tionen über ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit der NS-Zeit.

Mehr: https://hessen.vvn-bda.de/ria-deeg/ und in einer Broschüre der DKP Gießen, dkpgiessen@aol.com.

 

Emil Carlebach

Am 10. Juli 1914 wurde Emil Carlebach in Frankfurt am Main in einer bürgerlichen, jüdischen Familie geboren. Er besuchte die Samson-Raphael-Hirsch-Realschule und später die Klinger-Oberrealschule. Hier absolvierte er das Abitur und begann im Mai 1932 eine Lehre in einer Frankfurter Ledergroßhandlung. Am gleichen Tag trat er in den Zentralverband der Angestellten (ZdA) ein, noch 1931 war er Mitglied im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) geworden. (…)

Schon vor der Machtübertragung an Adolf Hitler und die NSDAP war Emil Carlebach mit seiner Gewerkschaftsjugendgruppe, dem KJVD und der KPD in Frankfurt antifaschistisch aktiv. Er gehörte zu denjenigen Gewerkschaftern, die der vorherrschenden Haltung, den drohenden Faschismus zu bagatellisieren, entgegentraten. (…) Am 11. Januar 1934 wurde Emil Carlebach wegen der Herstellung und Verbreitung antifaschistischer Zeitungen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Nach der regulären Haft in verschiedenen Gefängnissen wurde er 1937 in das Konzentrationslager Dachau verbracht und war ab 1938 bis zur Selbstbefreiung des KZ in Buchenwald inhaftiert. (…)

In der internationalen illegalen Widerstandsorganisation des Konzentrationslagers arbeitete er in verantwortlichen Positionen. Er gehörte zu den Häftlingen, die das Signal zum Aufstand am 4./5. April 1945 gaben und das Lager mit den befreiten Gefangenen und festgenommenen SS-Wachleuten am 11. April 1945 den heran rückenden amerikanischen Einheiten übergaben. (…)

Er war darüber hinaus vielfach publizistisch aktiv, unter anderem als Chefredakteur der VVN-Wochenzeitung „Die Tat“. Nach dem Verbot der KPD (1956) lebte Emil Carlebach mehr als zehn Jahre in der DDR um der drohenden Verfolgung und erneuten Inhaftierung in der BRD zu entgehen. Hier arbeitete er für den „Deutschen Freiheitssender 904“ der KPD. 1969 kehrte er nach Frankfurt am Main zurück und war in verschiedenen Funktionen in der VVN-BdA, der DKP und der Deutschen Journalisten-Union (dju) tätig.

Mehr: https://hessen.vvn-bda.de/emil-carlebach/