Bericht der MarburgerLinken & Piraten zur  Stadtverordnetenversammlung vom 29. August 2025

Bericht der MarburgerLinken & Piraten zur  Stadtverordnetenversammlung vom 29. August 2025

Im folgenden dokumentieren wir den Bericht der Fraktion MarburgerLinke & Piraten im Stadtparlament der Universitätsstadt Marburg, der auch unsere  Genossin und Stadtverordnete Tanja Bauder-Wöhr angehört, zur letzten Stadtverordnetenversammlung vom 14. Juni 2024:

Nach dem Rausch folgt die Ernüchterung – doch die Folgen des Rausches, den morgendlichen Kater, betreffen alle.

Ein halbes Jahr vor den Kommunalwahlen in Marburg ist das bestimmende Thema in der Stadt die geplanten und begonnenen Sparmaßnahmen – sie wirken, wie eine lähmende Bremse, dabei wäre gerade jetzt ein befreiendes Aufbegehren nötiger denn je. Die bürgerliche Opposition wittert Morgenluft bald wieder die Geschicke dieser Stadt mitlenken zu dürfen und meldeten prompt zur Kenntnisnahme Jahresabschluss 2023 Aussprache an. In erster Linie ging es der CDU/BFM/FDP
Fraktion darum, der Stadtregierung, vor allem dem Kämmerer (OB Spies) eine unseriöse Haushaltspolitik vorzuwerfen, welche(r) sich in guten finanziellen Zeiten feiern lässt und in vermeintlich schlechteren die Verantwortung lieber an alle, insbesondere die ehrenamtlichen Stadtverordneten abschiebt. „Aus Angst vor dem Tod, begehe man lieber Selbstmord“, bezeichnet unser finanzpolitischer Experte Roland Böhm treffend die verfehlte Antwort einer großen Mehrheit der Stadtverordneten zum Sparprogramm, die nicht nur die beschlossenen Kürzungen von 2,5% zur Folge hat, sondern sämtliche Vorschläge aus den Reihen des Parlaments unterbindet. Selbstverständlich stimmten wir den leider mehrheitsfähigen Kürzungen nicht zu. Wir kritisieren, dass der  Oberbürgermeister und die Regierungskoalition gemeinsam mit der CDU/BFM/FDP einen “Totsparkurs” verfolgt, der zu Lasten der Stadtgesellschaft geht, anstelle sich händeringend darum zu kümmern, die nicht selbstverursacht fehlenden Finanzmittel von Bund und Land einzufordern. Nicht unerwähnt lassen kann man in diesem Zusammenhang, die extrem hohen Schulden die durch den Bund für ein sogenanntes Sondervermögen aufgenommen wurden, hauptsächlich für Rüstungsausgaben – hier war plötzlich möglich, was über Jahre unmöglich schien, wenn es um mehr Finanzmittel für Gesundheit, Bildung oder Wohnungsbau ging.

Wer also eine starke und sozial gerechte Stadt wünscht, durfte sich nicht auf erpresserische Vorhaben nach einer Gewerbesteuerabsenkung einlassen, deshalb wenig überraschend, aber konsequent auch unsere Forderung, den Gewerbesteuerhebesatz jetzt auf 460 Punkte anzuheben.

Anja Kerstin Meier-Lercher brachte es in der Debatte zusammenfassend so auf den Punkt: „Statt bauen, bauen, bauen heißt es nun sparen, kürzen, stoppen.“ Jegliche Ideen, Lösungen werden somit im Keim erstickt, alles was Marburg ausmacht wird so nicht nur gefährdet, sondern bleibt sprichwörtlich auf der Strecke. Denn wir lieben unsere engagierten Mitbürger, weshalb für viel Geld ein ganz eigenes Beteiligungsformat in den letzten Jahren kreiert wurde. Auch hier legt Anja Kerstin Meier-Lercher den Finger in die Wunde, „es sei beschämend und entmündigend der Umgang mit Marburgs Bürgerinnen und Bürgern, in dem man Beteiligungsverfahren initiiert, wohl wissend aufgrund der finanziellen Haushaltslage, diese dort vorgetragenen Ideen der Menschen gar nicht umsetzen zu wollen.“ Beispiel gefällig? „Über eine städtische Pressemitteilung werden die ursprünglichen Pläne für einen vermeintlichen Neubau der Kita in Wehrda „Zum Gedankenspiel“ verkündet, nur schuldig bleibt man die Antwort auf die Frage, wovon dies bezahlt werden soll, denn Magistrat und Verwaltung wissen genau, dass es für Neubau gar keine Fördertöpfe mehr gibt!“.

 

Klarheit und Planungssicherheit schaffen – Kita-Bauprogramm endlich realisieren

Alle Jahre wieder ist der Start des neuen Kita-Jahres für Eltern eine nervenaufreibende Angelegenheit: Bekommt mein Kind einen Platz, wenn ja wo und wie lange am Tag? Denn der bauliche Zustand vieler Marburger Kitas ist schlecht. Bei einigen Kitas (exemplarische Beispiele: Goldberg, Unter dem Gedankenspiel) sind die Kinder seit Jahren in teilweise wechselnden Provisorien untergebracht mit allen daraus folgenden Konsequenzen: eingeschränkte und wechselnde Öffnungszeiten, Platzbeschränkungen, große Personalfluktuation usw. Manche Kinder haben bis zur Einschulung keine reguläre Kita sondern nur Provisorien erlebt. Für Eltern ist das ebenfalls belastend, insbesondere variierende Öffnungszeiten beeinträchtigen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis hin zur (erzwungenen) Arbeitsaufgabe.

Klar und eindeutig fordert Roland Böhm daher den Magistrat auf, endlich das bereits 2017 beschlossene Kinder-Bau-Programm (KiBaP) vorzulegen, und zwar rechtzeitig vor Beginn der Haushaltsberatungen für 2026. Außer alljährlichen – folgenlosen – Ankündigungen des Oberbürgermeisters bei Haushalts- oder Neujahrsreden ist weder unter der Zuständigkeit der Stadträtin Kirsten Dinnebier (SPD) noch der Bürgermeisterin Nadine Bernshausen (Grüne) etwas passiert, im Gegenteil: Die Investitionen sinken, es ist kein Plan erkennbar, was wann warum saniert werden soll.

„Dabei ist für Kinder, Eltern und Betreuungspersonal eine verlässliche Zeit- und Investitionsplanung unverzichtbar“, betont Roland Böhm, Sozial- und Finanzexperte der Fraktion. Weiteres „spielen auf Zeit“ führt nur dazu, dass die sowieso unumgänglichen Investitionen noch höher werden und den Haushalt noch mehr belasten.

 

Neubau für bezahlbares Auszubildenden Wohnheim in Cappel forcieren

Endlich bietet sich nach gefühlt über 15 Jahren des Wartens die Chance eines Neubaus für Auszubildende, der natürlich erschwinglichen Mieten bereithalten muss. In Cappel ist längst ein Platz gefunden, die Abbruchgenehmigung bereits im Mai erteilt worden, der Ortsbeirat begrüßt dieses Ziel ausdrücklich, weshalb für Tanja Bauder-Wöhr nicht ersichtlich ist: „Warum ausgerechnet das städtische Bauamt und der Baustadtrat Michael Kopatz als Bremsklotz wirken. Wir fordern den Magistrat auf, sich für die Errichtung eines Wohnheims für Auszubildenden in Cappel stark zu machen und auf eine rasche Baugenehmigung hinzuwirken.“ Sie unterstreicht die Vorteile dieses notwendigen Unterfangens. Denn auf der einen Seite finden sich immer weniger Menschen, die eine Ausbildung in den gesundheitlichen, pflegerischen Bereichen starten wollen, u.a. weil bezahlbare Wohnmöglichkeiten kaum oder gar nicht vorhanden sind, natürlich auch weil die Grundvergütung gering ist neben einer enorm hohen Verantwortung- und Arbeitsbelastung. Zudem würde ein Auszubildenden Wohnheim zumindest einen gewissen Druck vom ohnehin angespannten Wohnungsmarkt nehmen, der Bauherr ist übrigens das UKGM, dass eine längst überfällige Verpflichtung, nämlich die ausreichende Bereitstellung von Wohnheimplätzen für Auszubildende, einlösen würde.

 

Neue innerstädtische Ortsbeiräte Chance oder Placebo

Trotz einer großangelegten Bürgerbefragung zur Einführung weiterer Ortsbeiräte – die Aufforderung zur Umfragebeteiligung landete in jedem Briefkasten – kann ernüchternd festgestellt werden: „Für eine absolute Mehrheit von über 80 Prozent (Nichtbeteiligung) ist klar: Dieses Thema und ein eventueller Ortsbeirat im Gebiet verändert nicht die eigene Lebenswirklichkeit – da gibt es wohl offensichtlich wichtigeres, wie beispielsweise bezahlbares Leben anstatt Placebo-Teilnahme im Ortsbeirat.“, argumentiert Tanja Bauder-Wöhr. Man stärkt demokratische Teilhabe, wenn bei den Menschen ankommt, dass ihre Ideen, ihre Anregungen und auch Sorgen im Quartier werden gehört und aufgegriffen und nicht durch ein „Stillhaltegremium“ á la Ortsbeirat ersetzt werden.

 

Nachtigall ick hör´ dir trapsen

Ansonsten wurde noch reichlich abgestimmt und unliebsame Themen für erledigt erklärt. Schon sehr bemerkenswert ist allerdings, dass die Klimaregierung ihre eigenen eingeführten Förderprogramme wie „klimafreundlich Wohnen“ und „sozialer Energiebonus“ unter dem Vorwand Haushaltskonsolidierung als Novellierung einfach streicht!

 

Tanja Bauder-Wöhr, Anja Kerstin Meier-Lercher