Bericht der MarburgerLinken & Piraten zur  Stadtverordnetenversammlung vom 26. September 2025

Bericht der MarburgerLinken & Piraten zur  Stadtverordnetenversammlung vom 26. September 2025

Im folgenden dokumentieren wir den Bericht der Fraktion MarburgerLinke & Piraten im Stadtparlament der Universitätsstadt Marburg, der auch unsere  Genossin und Stadtverordnete Tanja Bauder-Wöhr angehört, zur letzten Stadtverordnetenversammlung vom 26. September 2025:

Einbringungsrede des Oberbürgermeisters Dr. Thomas Spies

Ein Highlight für Menschen aus der Stadtgesellschaft ist immer die Einbringung des städtischen Haushalts, hier sollen Akzente und Innovationen für das kommende Jahr gesetzt werden. Diesmal darf man getrost von einem Trauerspiel sprechen, denn der Oberbürgermeister ließ bereits durch exklusive Vorabinterviews in der Lokalpresse erahnen, wohin die Reise geht. Er bestätigte bei seiner Einbringungsrede nur, dass es überall Kürzungen hageln wird. Er lobte sogar extra einen ehrenamtlich tätigen Verein, der sich per Brief an den OB wandte und darin erklärte, er könne durch interne Maßnahmen nächstes Jahr auf städtische Zuschüsse verzichten – offensichtlich möchte der OB, dass diesem Beispiel andere folgen. Problem dabei ist, viele Vereine und Institutionen in der Stadt, die für unser gutes soziales und kulturelles Zusammenleben unbezahlbares leisten, gehen schon seit langem über ihre Belastungsgrenzen hinaus, sie können schlicht nicht auf die ohnehin schon zu knapp bemessenen Gelder verzichten! Beschwichtigend verwies er auf die viel schlimmere Situation anderer hessischer Kommunen – interessante solidarische Sicht, die der Sozialdemokrat hier offenbart. Dennoch schwant ihm Ungemach, noch sind in Marburg die sozialkulturellen Proteste aus dem Jahr 2016, als der OB das erste Mal einschneidende Kürzungen vornahm, nicht vergessen. Wir haben auch nicht vergessen, mit wem die SPD aktuell im Bund und Land regiert. Weder Friedrich Merz noch Boris Rhein verhehlen, für welche Politik sie stehen, sie zeichnen sich nämlich als knallharter Freunde der Vermögenden aus, es drohen erneut härteste soziale Angriffe auf uns alle, Land auf Land ab. Es dürfte die zynisch als „Operation sichere Zukunft“ bezeichneten Politik Rolands Koch noch übertreffen.

In einem Punkt stimmen wir mit dem OB völlig über ein, nämlich dass die kommunale Selbstverwaltung, welche im Artikel 28 grundgesetzlich garantiert ist, in höchster Gefahr ist, wenn der Bund und das Land die finanziellen notwendigen Mitteln einbehält, anstatt sie an die Kommunen weiterzuleiten. Passend dazu haben wir in einem Antrag auch gefordert:

Kommunale Solidarität – Pflichtaufgaben, die von Bund und Land vorgegeben sind, müssen auch durch selbige finanziert werden!

Aus unserer Sicht ist ein Zusammenschluss aller hessischen Kommunen sinnvoll, getreu dem Motto „allein machen sie dich ein – wenn wir uns erstmal einig sind, weht glaub ich,´n ganz andrer Wind. Dann werden se nicht mehr lachen, sondern sich auf die Socken machen…“. Fest im Blick haben wir hier das Ziel: „sich mit anderen hessischen Kommunen zusammenzusetzen, um einen GEMEINSAMEN Weg zu finden, zur Erfüllung der von Bund und Land auferlegten Pflichtaufgaben zusätzliche Finanzzuweisungen zu erhalten – falls notwendig durch eine GEMEINSCHAFTLICHE Sammelklage für den Fall, dass Bund und Land kein Einsehen zeigen“ führt Michael Weber aus. Trotz der schönen Worte und des Appells die kommunale Selbstverwaltung erhalten zu wollen, wurde unser Antrag abgelehnt – vielleicht geht die Marburger Koalition jetzt jeden Sonntag in die Kirche, um erst zu beichten und dann für ein Einlenken der Verantwortlichen in Bund und Land zu beten. Und ganz vielleicht schickt dann der liebe Herrgott die Vermögenssteuer auf Erden – wir befürchten allerdings, es muss selbst erstritten werden. Oberer Rotenberg – Baustadtrat: „es ist kein Sozialprogramm“

 

Oberer Rotenberg – Baustadtrat: „es ist kein Sozialprogramm“

Jeder Mensch braucht eine Wohnung, ob Alleinerziehend, ob jung ob alt, ob in einer Wohngemeinschaft, ob die erste Wohnung für die Ausbildung oder das Studium, oder die Wohnung die bereits seit vielen Jahren das zuhause ist – die Angst davor sie zu verlieren, weil die Mieten explodieren, oder im Zuhause zu frieren, darüber krank zu werden, weil das Geld nicht mehr zum Heizen reicht, dass alles eint viel zu viele Menschen auch in Marburg.

Aus all diesen Gründen fordern wir seit Jahren eine Wohnungsoffensive, unter der klaren Voraussetzung mit Priorität auf bezahlbare Mieten. Wir haben die Bauleitplanung bisher mitgetragen, weil wir überzeugt von dem Projekt „Schaffung gemeinschaftliches Wohnens für Alleinerziehende“ waren, trotz der Verknüpfung an einen größeren Projektierer, der dort einen Supermarkt auf der sehr viel größeren Fläche errichten will, trotz der zu Recht vorgebrachten ökologischen Bedenken, weil wir um die Nöte rund ums Thema Wohnen wissen. Dann erreichte uns ein Infoschreiben von einer Mitbewerbergruppe „Wohn(t)räume“, im Rahmen des gemeinschaftlichen Wohnprojekts, darin heißt es: „Da wir den Bau selbst realisieren müssen, haben wir bei verschiedenen Bauunternehmen Angebote eingeholt, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was ein Hausbau in unserer Größenordnung kostet. (10 Wohnungen). Die Kosten liegen bei 2,5 bis 3,2 Millionen €. Daraufhin haben wir Gespräche mit verschiedenen Banken geführt und festgestellt, dass aufgrund unseres geringen Eigenkapitals und der heutigen Zinsen eine Finanzierung zu teuer ist. Um den Kredit zurück bezahlen zu können, wäre eine Miete von ca. 18 € m² erforderlich. Damit hat sich das Thema bauen für uns erledigt.“ Wir staunten Bauklötze als wir das lasen! Diese Stelle zitierte Tanja Bauder-Wöhr auch in der Debatte, sie verwies zu dem darauf, dass es sich bei Wohnraummiete zwischen 14 bis 18€ keinesfalls um bezahlbares Wohnen handelt, im Gegenteil: hier liegt man sogar deutlich über der ermittelten Marburger Durchschnittsmiete. Zusätzlich ist beim Projektierer des Supermarkts viel mehr im Unklaren, als es zu einer solchen Phase des Bauleitplanverfahrens sein sollte, die abgeschlossenen städtebaulichen Verträge ein paar Tage vor der entscheidenden Magistratssitzung, bekommen wir Stadtverordneten aus Datenschutzgründen nicht zu sehen – ebenfalls ein Unding! Nach unserem Redebeitrag und dem aufdecken dieser Tatsachen, bestätigt der Baudezernent, dass es sich hier nicht um ein Sozialprogramm handle und Mieten zwischen 14 und 18€ anvisiert sind. Dem konnten und wollten wir dann nicht mehr zustimmen!

 

Auszubildenden Wohnheim in Cappel kommt

Einstimmig beschließt die StVV unseren Antrag, bezahlbares Auszubildendenwohnheim in Cappel forcieren, was ein Erfolg vor allem für die zukünftigen Bewohner:innen bedeutet. Letzten Monat noch, mussten wir verwundert den eindeutig bremsenden Ausführungen bzgl. Neubau Auszubildendenwohnheim des Baustadtrats Michael Kopatz lauschen, so waren wir dieses Mal sehr erleichtert, dass es zu diesem einstimmigen Ergebnis kam. Erschwinglicher Wohnraum ist leider immer noch viel zu knapp in Marburg. Der Neubau für Auszubildende in Cappel muss jetzt zügig umgesetzt werden, denn so führt Tanja Bauder-Wöhr aus: „viel zu lange hat sich das UKGM gedrückt, vor ihrer Verantwortung ausreichend Plätze für Auszubildende bereitzustellen, jüngst im Schwesternwohnheim in der Wilhelm-Röpke-Str. (längst hoher Sanierungsbedarf) noch die Miete um 100% erhöht, eigentlich unglaublich!“

Sie unterstreicht die Vorteile, die alle von einem zügig fertiggestellten Auszubildendenwohnheim haben, zum einen kann es als Anreiz für junge Menschen dienen, sich für eine Berufsausbildung in einem gesellschaftlich hoch relevanten und verantwortungsvollen Beruf wie der Gesundheitsversorgung zu entschließen, ohne das der ohnehin viel zu geringe Verdienst nur für die Miete draufgeht, sondern auch etwas fürs normale Leben übrig bleibt, Stichwort Freizeitgestaltung mit Freunden. Zum anderen profitieren wir Marburger:innen alle davon, wenn gut ausgebildete Fachkräfte sich um uns kümmern. Jetzt gilt es also, alle im Gleichschritt den Grundstein fürs Auszubildendenwohnheim zu legen, den Bau so schnell als möglich abzuschließen.

 

Gegen die Wehrpflicht – Recht auf Kriegsdienstverweigerung erhalten

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht durch die Bundesregierung und die deutsche Presselandschaft einstimmig getönt wird, dieses Land muss wieder kriegstüchtig werden, wir halten klar dagegen, nein dieses Land muss endlich friedensfähig sein! Deshalb ist es gut und richtig, dass die Fraktion die Linke den Antrag: „15. Mai als Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung in Marburg würdigen“ einbrachte. Leider wurden große Teile des Antrags mehrheitlich abgelehnt, immer hin konnte doch mit knapper Mehrheit folgendes beschlossen werden: „Die Stadtverordnetenversammlung fordert den Magistrat auf, zukünftig am 15. Mai als sichtbares Zeichen das Rathaus z.B. mit der Mayors for Peace Fahne zu beflaggen und öffentliche Informationen zum Thema Kriegsdienstverweigerung via Pressemitteilung und Homepage durch die Stadt zu verbreiten.“

 

Unwürdiges Ende

Leider endete die Stadtverordnetenversammlung aus unserer Sicht durch einen ungeheuerlichen Vorgang, zum gestellten Berichtsantrag der Fraktion Die Linke betr. agent21 Zukunftswerkstatt, ergreift völlig überraschend der Oberbürgermeister das Wort und gibt eine Erklärung ab, bei welcher er aus unserer Sicht einen sehr verdienten Bürger unserer Stadt öffentlich bloßstellt, dabei auch nicht vor zumindest gewagten Behauptungen zurückschreckt und keinerlei Rücksicht auf Wahrung des Persönlichkeitsrecht nimmt, geschweige sich an Datenschutz hält (was gerade bei städtebaulichen Verträgen immer als Begründung herangezogen wird, um uns Stadtverordneten leider keinen Einblick zu relevanten Aspekten der jeweiligen Bauvorhaben zu gewähren). Weshalb wir unter Missbilligung dieses unwürdigen Verhaltens auch die Sitzung gemeinsam verließen.

Tanja Bauder-Wöhr, Roland Böhm, Anja Kerstin Meier-Lercher, Inge Sturm, Dr. Michael Weber

Unsere Stadtverordnete Tanja Bauder-Wöhr spricht bei der 8. Mai-Feier in Marburg anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus.